Fruchtsäfte: Inhaltsstoffe und technische Herstellung

Fruchtsäfte: Inhaltsstoffe und technische Herstellung
Fruchtsäfte: Inhaltsstoffe und technische Herstellung
 
Der Fruchtsaftkonsum der durstigen Deutschen ist in den vergangenen 50 Jahren auf das Zwanzigfache, auf über 40 Liter pro Kopf und Jahr, gestiegen. In keinem Land der Erde wird mehr Fruchtsaft getrunken als in Deutschland. Grund genug, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen: Was eigentlich ist Fruchtsaft, was sind seine gesundheitlichen Werte und wie wird er hergestellt?
 
 
Was landläufig pauschal als Fruchtsaft bezeichnet wird, bedarf nach dem Buchstaben des Gesetzes einer genaueren Unterscheidung. Ein Fruchtsaft in diesem engeren Sinne ist ein unvergorener, aus Früchten oder Fruchtkonzentraten ohne Zuckerzusatz hergestellter Saft. Er besteht der Fruchtsaftverordnung von 1982 zufolge zu 100 % aus Saft; in Ausnahmefällen dürfen bis zu 15 Gramm Zucker pro Liter zugegeben werden, die auf dem Etikett nachgewiesen werden müssen. Fruchtnektar wird aus Saftkonzentrat, (konzentriertem) Fruchtmark, Wasser und Zucker hergestellt. Der Saftanteil liegt je nach Fruchtart bei mindestens 25 bis 50 %. Bei Fruchtsaftgetränken beträgt der Mindestsaftanteil sechs Prozent. Die restlichen Zutaten sind Wasser, Zucker, Farb- und Aromastoffe sowie Säuerungsmittel.
 
Bei Fruchtnektaren und Fruchtsaftgetränken kann statt Zucker auch Süßstoff verwendet werden.
 
Gemessen an den Gehalten an Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen und Ballaststoffen schneiden bei der Beurteilung der gesundheitlichen Werte die Fruchtsäfte im engeren Sinn am besten ab, insbesondere wenn sie naturtrüb sind und viel Fruchtfleisch enthalten. Auch Fruchtsaftgetränke und Fruchtnektare können durch entsprechende Zusätze aufgewertet werden, meist beschränken sich die Fruchtsafthersteller aber auf die bloße Vitamin-C-Anreicherung. Neben Vitamin C enthalten Früchte besonders viel der Vitamine A (genauer Carotin), B1, B2 und Niacin. Außer von der Zubereitungsweise des Safts hängen die Gehalte natürlich vor allem von der Fruchtart ab. Sie erreichen selbst bei naturbelassenen Säften allerdings in der Regel keine nennenswerten Mengen. An Mineralstoffen sind in Früchten Kalium, Magnesium, Calcium, Phosphor und Eisen zu finden. Auch hier sind die individuellen Gehalte je nach Fruchtart unterschiedlich. Ballaststoffe (Fruchtfasern, Cellulose, Pektin) sind verdauungsfördernd und binden Schadstoffe, sind aber in Fruchtsäften meist kaum vorhanden. Anregend auf die Verdauung wirken auch Aromastoffe und Fruchtsäuren. Flavonoide und Polyphenole sind gesundheitsfördernde, jedoch nicht essenzielle Stoffe, die in Früchten und ihren Säften enthalten sind. Auch hier liegt der Gehalt in reinen Fruchtsäften höher als in stärker verarbeiteten Produkten wie den Nektaren.
 
Der Gesundheit abträglich sind hohe Zuckergehalte, wie sie in Nektaren und Fruchtsaftgetränken häufig anzutreffen sind. Sogar Fruchtsaft (im engeren Sinn) darf mit bis zu 15 Gramm Zucker je Liter versetzt werden. Diabetiker sollten beachten, dass auch reine Fruchtsäfte oder mit künstlichen Süßungsmitteln gesüßte Fruchtnektare und Fruchtsaftgetränke aufgrund ihres Fruchtgehalts Zucker enthalten.
 
 Saftherstellung
 
Bei den wenigsten Fruchtsäften handelt es sich um Direktsäfte, die ohne weitere Zwischenschritte abgefüllt werden und zum Verkauf gelangen. Die meisten Säfte werden aus Fruchtsaftkonzentraten hergestellt, deren Vorteile in verbesserter Haltbarkeit sowie im geringeren Gewicht und Volumen liegen, was bei Transport und Lagerung Kosten spart. Vor allem Orangen- und Grapefruitsaft wird in den Anbauländern zu Konzentraten verarbeitet. In den Verbraucherländern werden diese Konzentrate mit entmineralisiertem Wasser zurückverdünnt, mit Vitamin C angereichert und in Flaschen oder Kartonverpackungen zum Konsum angeboten. Aus verschiedenen Früchten wie schwarzen Johannisbeeren, Kirschen oder Bananen werden praktisch nur Fruchtnektare hergestellt, da der Anteil an Fruchtsäure oder Fruchtfleisch zu hoch für den sofortigen Verzehr ist.
 
 
Zur Herstellung von Orangensaftkonzentrat, dem Ausgangsprodukt für hochwertigen »naturtrüben« Orangensaft, muss ein etwas verschlungener Weg beschritten werden. Die gewaschenen Orangen werden entsaftet und die Schalen anschließend entölt. Dazu werden die Orangen einzeln von korbförmig angeordneten Stahlgreifern festgehalten, während das Fruchtinnere ausgeschnitten und durch ein Siebrohr gepresst wird, das die groben Bestandteile zurückhält. Nach dem Entsaften wird die zurückgebliebene Orangenschale von den Greifern zerquetscht; das austretende Orangenöl, ein wertvolles Nebenprodukt, wird abgespült, separiert und weiter aufbereitet. Der gepresste, grob gefilterte Rohsaft enthält noch große Mengen Zellmaterial (Pulpe) und Kerne. Um den Saft in den noch unverletzten Saftschläuchen des Fruchtgewebes freizusetzen, wird das Gemisch in zylindrische Siebtrommeln geleitet, wo das Fruchtfleisch durch rotierende Andrückleisten ausgepresst (passiert) wird. Der passierte Rohsaft wird zentrifugiert, die dabei erhaltene Pulpe pasteurisiert oder eingefroren. Die Pulpeentfernung vor dem Eindampfen ist erforderlich, da das empfindliche Fruchtfleisch, das später noch gebraucht wird, sonst Schaden nehmen würde. Der nach dem Zentrifugieren klare Orangensaft wird sogleich pasteurisiert. Dabei werden pektolytische (Pektin abbauende) Enzyme inaktiviert, damit die zur Trubstabilisierung nützlichen Pektine erhalten bleiben. Pektine sind pflanzliche Polysaccharide mit einem hohen Wasserbindungsvermögen, die Lösungen gelieren können. In pektinhaltigen Lösungen setzen sich Schwebstoffe viel langsamer ab.
 
Nach dem Pasteurisieren wird der Saft in mehreren Stufen bis zur gewünschten Konzentration eingedickt. Mit dem Dampf (Brüden) verflüchtigen sich auch viele Aromastoffe. Daher kondensiert man den Brüden in der ersten Stufe. In den Brüden der weiteren Verdampferstufen befinden sich keine nennenswerten Mengen Aroma mehr. Das Kondensat aus der ersten Stufe besteht aus einer wässrigen Phase, die zum Teil als Orangensaftaroma verkauft wird, und einem Öl. Die ölige Phase und der Rest der wässrigen werden zusammen mit etwas Pulpe dem Konzentrat wieder hinzugefügt. Beim Cut-back-Verfahren versetzt man das Konzentrat zur Geschmacksverbesserung zusätzlich mit einem Anteil Muttersaft. Das Konzentrat wird bei —18 ºC gelagert und transportiert und stellt das Ausgangsmaterial für die Fruchtsaftherstellung durch Verdünnen dar.
 
Einheimische Fruchtsäfte
 
Da sich einheimische Früchte von ihrem Aufbau her deutlich von Zitrusfrüchten unterscheiden, werden sie auch anders verarbeitet. Anders als bei Orangensaft entstehen hier meist klare Fruchtsäfte bzw. Konzentrate. Das Obst wird zunächst gewaschen. Vor dem Zerkleinern werden Kirschen entstielt, Trauben und Beeren von den Rappen, das heißt von den Kämmen bzw. Stielen, getrennt. Kernobst wie Äpfel und Birnen wird nach dem Aussondern fauler Früchte zerkleinert. Die dabei gewonnene Maische wird meist noch enzymatisch von Pektin befreit, um eine bessere Saftausbeute zu erzielen. Dazu setzt man zusätzlich zu den enthaltenen Maischeenzymen weitere pektolytische Enzyme zu. Die Maische wird nun mithilfe geeigneter Obstpressen entsaftet. Der ausgepresste Rohsaft wird zur Entfernung der meisten Trubstoffe zentrifugiert und dann pasteurisiert. Wurde noch nicht entpektinisiert, so werden spätestens jetzt pektolytische Enzyme zugesetzt. Danach wird erneut zentrifugiert. Der Saft wird nun entweder direkt in Flaschen gefüllt oder zu länger lagerfähigem Konzentrat eingedickt, wobei die Maischeenzyme inaktiviert werden. Die wasserdampfflüchtigen Aromen werden, wie schon beschrieben, aufgefangen. Diese wasserlöslichen Fruchtaromen werden aus dem Destillat durch Rektifikation, eine aufwendige Art der Destillation, zurückgewonnen. Das Aroma fügt man zur Saftherstellung beim Verdünnen des entaromatisierten Konzentrats wieder hinzu.
 
 Fruchtsäfte früher und heute
 
Die ganzjährige Verfügbarkeit einer breiten Palette von Fruchtsäften ist erst mit den technischen Möglichkeiten entstanden, die uns die industrielle Revolution des 19. Jahrhunderts beschert hat: motorisierter Transport sowie großtechnische Verarbeitung und Verpackung. In der Zeit davor gab es Fruchtsaft ausschließlich während der Erntesaison, dafür war es allerdings auch — nach heutiger Terminologie — Direktsaft aus biologischem Landbau. Zur Herstellung länger haltbarer Produkte stand damals nur die Gärung zu Fruchtweinen zur Verfügung. Während Fruchtweine heute aus der Mode gekommen sind, hat der Saftkonsum in Deutschland ungeahnte Höhen erreicht: Der Pro-Kopf-Verbrauch von Fruchtsaft und Fruchtnektar betrug 1997 41,4 Liter; die beliebteste Sorte ist Apfelsaft (Verbrauch 12,8 Liter pro Kopf), gefolgt von Orangensaft (10,4 Liter), Multivitaminsaft (2,9 Liter) und Traubensaft (1,2 Liter). Deutschland produziert fast die Hälfte der in der EU hergestellten Fruchtsäfte und -nektare.
 
 
Wolfgang Lukas: Obstmost, Fruchtsäfte, Obstbrände. Klosterneuburg 31996.
 Bettina Gerlach und Rüdiger Lobitz: Fruchtsäfte und Erfrischungsgetränke. Bonn 1998.
 Heinrich Thönges: Fruchtsäfte, Weine, Essig und Liköre (Stuttgart 1999.
 Werner Back: Farbatlas und Handbuch der Getränkebiologie, Band 2. Nürnberg 2000.

Universal-Lexikon. 2012.

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